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Gerecht geteilte Arbeit: Wie funktioniert 50/50?

Februar 14, 2015

Das klappt gar nicht mit Lohnarbeit und Kind und Zeit, sagt unangenehmer Weise oft eine pessimistische Stimme in mir. Sie wird lauter, je stressiger mein Alltag derzeit wird. Umso interessierter war ich an dem Buch Papa kann auch stillen von Stefanie Lohaus und ihrem Partner Tobias Scholz, das kürzlich erschienen ist. Denn die beiden machen etwas ziemlich Neues: Lohaus und Scholz teilen sich gleichberechtigt die Haus-, Betreuungs- und Familienarbeit, so dass jede_r von beiden tatsächlich nur die Hälfte der Arbeit leisten muss und beide etwas weniger als Vollzeit lohnarbeiten. In Zeiten, in denen Gleichberechtigung oft als längst erreicht dargestellt wird, sollte das eigentlich so gar nichts Neues sein. Ist es aber. Schließlich ist eine gerechte Aufteilung in heterosexuellen Beziehungen mit Kindern eine seltene Ausnahme, von lediglich 2-3 Prozent ist in einem Video des rbb die Rede, in dem die beiden das Buch vorstellen. BildPapaStillen Ich finde ihr Buch deshalb gut und wichtig. Auch, wenn ich Jochen König zustimme, dass 50/50 keinesfalls das Ende aller Ungerechtigkeiten bedeutet. Auch wenn das Buch vor allem für heterosexuelle Eltern mit akademischen Hintergrund (und entsprechenden Berufs- und Einkommensmöglichkeiten) von Relevanz ist. Auch, wenn sie überraschend wenig Kritik am sozial ungerechten Modell von Elterngeld äussern. Und auch, wenn für Personen, die sich schon länger mit Gleichberechtigung und der Verteilung von Familienarbeit beschäftigen, vieles bekannt sein dürfte.

Wichtig ist das Buch schon allein deshalb, weil sich der geteilte Arbeitsalltag mit Kind sehr schwer gestalten lässt. Und weil die postulierte Gleichberechtigung für viele Frauen auch statistisch gesehen spätestens beim ersten Kind endet. Gut an dem Buch ist, dass Lohaus und Scholz detailliert aus ihrem eigenen Alltag und dem ihrer Freund_innen und Bekannten schreiben. Sie schildern die Probleme bei der gerechten Aufteilung von Aufgaben, ihre Widerstände und verschiedenen Lösungsversuche sehr ehrlich. Zudem beziehen sie an einigen Stellen aktuelle Daten und gesetzliche Vorgaben mit ein. Dadurch bietet das Buch durchaus eine wichtige Orientierungshilfe – sei es, dass es bestimmte Aspekte überhaupt problematisiert (z.B. Putzen), Ideen gibt (wie z.B. Putzuhren) oder sei es, dass es konkrete Lösungen für Alltagsprobleme (z.B. Babysitter, feste-freie Abende oder Excel-Tabellen) bietet.

Gut ist zudem, dass das Buch ausführlich die Verteilung von Geld in Paaren diskutiert, die ja auch auf fuckermothers bereits gelegentlich ein Thema war. Ihre Lösung ist eine durchaus veröffentlichenswerte Variante: Sie haben beide Einzelkonten und ein gemeinsames, drittes Konto. Das Gehalt von beiden geht zunächst in voller Höhe auf das gemeinsame Familienkonto. Nachdem am Ende des Monats alle gemeinsamen Ausgaben abgerechnet wurden wird der Restbetrag durch zwei geteilt und auf die jeweiligen Einzelkonten zurück überwiesen. Ein Problem hierbei ist wohl der rechnerische Aufwand. Der grosse Vorteil ist aber, dass beide auf diese Weise tatsächlich gleich viel Geld zur Verfügung haben (bis auf die spätere Rente, die auch ich an dieser Stelle mal wieder verdränge). Zugleich sind mir bei ihrer Aufteilung allerdings mindestens zwei Aspekte im Gedächtnis geblieben, die meine pessimistische Stimme weiter nährten:

  1. Sie betonen, dass sie beide nicht wirklich Karriere machen wollen – beziehungsweise allenfalls eine „Art ‚mittlerer‘ Karriere anstreben“ (S. 108) oder dass ihr Lebensmodell „eine Absage an die gesellschaftliche Vorstellung von beruflicher Karriere“ bedeutet (S. 194). Denn beiden sind flexible Arbeitszeiten wichtig, die ihnen ermöglichen, genug Zeit für die Familie zu haben. Scholz allerdings arbeitet beispielsweise derzeit in der Wissenschaft. Er ist damit in einem Bereich, in dem zwar flexible Arbeitszeiten oft möglich sind. Das bedeutet aber oft: viel Arbeit abends und an Wochenenden. Und im universitären Bereich ist so etwas wie eine ‚mittlere Karriere‘ ist überhaupt nicht vorgesehen. Schließlich wurde der akademische Mittelbau fast vollständig abgeschafft und es herrscht eher die Logik von ‚raus oder rauf‘ vor.
  2. Und sie erklären, dass sie oft verhältnismäßig wenig Geld haben und dass auch bei ihnen – wie bei so vielen – dass mit der Rente eher kein so tolles Thema ist. „Die Altersvorsorge ist noch nicht geklärt.“ (S. 194)

Leider sagen genau diese Punkte viel über die Realität von Gleichberechtigung aus – nämlich, dass Menschen, die die Familienarbeit übernehmen, schnell an strukturelle Schranken stossen. Seien es Arbeitsbedingungen und -zeiten, hegemoniale Karriereverläufe und Modelle der Altersvorsorge. Zugleich werden die Risiken und Einschränkungen, die sich aus Familienarbeit ergeben, im 50/50 Modell auf beide Partner_innen aufgeteilt. Die Nachteile trägt hier nicht, wie ansonsten so oft, allein die Frau, sondern eben auch das Mann. Und das ist tatsächlich zumindest gerechter.

Ausserdem habe ich mich gefragt, ob es sich bei ihrem Modell doch um eine Art ‚Luxus‘ handelt – sie thematisieren diese Kritik auch selbst. Schliesslich muss es für 50/50 überhaupt etwas aufzuteilen geben, muss ein bestimmter Anteil an Zeit, Geld und beruflichen Optionen überhaupt zur Verfügung stehen.

Was ich toll fände, wäre eine Fortsetzung des Buches in 5 bis 10 Jahren. Denn viele Probleme einer gerechten Aufteilung ergeben sich ja oft bei Jobwechseln, zweiten Kindern, Karrierechancen, Arbeitslosigkeit, erkrankten Eltern und all dem Schönen und weniger Schönen, was das Leben so bringen kann. Auf solch eine erfolgreiche Fortzsetzung hoffe ich schon aus egoistischen Gründen: Ich wünsche mir, dass meine pessimistische Stimme in Zukunft endlich etwas leiser spricht.

Kurzum: Das Buch ist sehr empfehlenswert für heterosexuell lebende Paare mit Kind. Besonders, wenn sie sich in ähnlichen Lebenslagen befinden. Und in erster Linie ist ein wirklich gutes Geschenk für werdende Eltern, die noch wenig über Geschlechterrollen nachgedacht haben. — Lohaus, S., & Scholz, T. (2015). Papa kann auch stillen: Wie Paare Kind, Job & Abwasch unter einen Hut bekommen. München: Goldmann Verlag.

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10 Kommentare leave one →
  1. Februar 15, 2015 8:16 am

    Interessanter Post.

    Ich habe das Buch nicht gelesen. Ich bin aber auch nicht die Zielgruppe, denn ich bin diese 5-10 Jahre weiter, in denen Du Dir eine Fortsetzung des Buches wünschst. Wir leben hier dieses Modell von Anfang an und hatten alles dabei: Jobwechsel, Selbstständigkeit, Teilzeit, Vollzeit, Wohnortwechsel. Und wir haben zwei Kinder (11 und 7). Das ist Arbeit, das strengt an, aber es funktioniert, macht oft auch Spaß und tut uns persönlich sehr gut.

    Ich habe nicht so ganz verstanden, was Du mit strukturellen Grenzen meinst. Dass es bei Akademikern nur ein „rauf oder raus“ gibt, kann ich so nicht bestätigen, finde das auch übertrieben – oder ich habe ein grundlegend anderes Verständnis davon, was Karriere ist.
    Für mich erschließt sich auch nicht, worin die Nachteile der 50/50-Regel bei der Altersvorsorge liegen.

    Die wesentliche Erkenntnis ist für mich eigentlich eine ganz andere. Unabhängig, wie genau die Aufteilung der Familienarbeit ist, läuft es immer auf zwei Fragen hinaus: die der persönlichen Erwartungen und die der Priorisierung. Der Tag hat nur 24 Stunden, man kann nicht in allem gleichzeitig (!) das große Rad drehen. Ich hatte dazu einmal hier gebloggt: https://mrscgn.wordpress.com/2014/06/27/ich-will-alles-und-zwar-sofort/

    Vielleicht sollte man sich einfach von dem Stress befreien, zu jeder Minute dieses 50-50-Modell leben zu wollen – aus meiner Sicht gibt es durchaus Lebensabschnitte, in denen es 65/35 und dann wieder 40/60 aufgeteilt wird, ich habe das selbst hier so erlebt. In der Gesamtbetrachtung sollte es für beide passen.

    • Februar 15, 2015 11:42 am

      Hallo, Danke für Deinen Kommentar – echt schön zu hören, dass 50/50 bei Euch auch weiterhin gut funktioniert. Zu Deinen Fragen: Mit dem ‚rauf oder raus‘ meinte ich tatsächlich die Uni (Wissenschaftszeitgesetz, keine feste Stellen im akademischen ‚Mittelbau‘ etc.) – andere Jobs für Akademiker_innen sind sicherlich flexibler in der (nicht-)Karrieregestaltung. Und bei der Rente musste ich ebenfalls an einige Fallgeschichten im Buch denken: Wenn ein Paar z.B. die gemeinsame Konto-Lösung hat, haben beiden für den Moment gleich viel Geld. Aber wenn er z.B. voll festangestellt ist (und darüber in die Rentenkasse zahlt), sie aber selbstständig (oder maximal teilzeit angestellt plus ein wenig selbstständig) ist und keine/ weniger Rentenbeiträge bezahlt bedeutet das eben für die Altersvorsorge durchaus Ungleichheit.
      Ich denke auch, dass es je nach Lebensabschnitten Variationen bei 50-50 bzw. 60-40 geben sollte. Liebe Grüsse

      • Februar 15, 2015 1:39 pm

        Vielen Dank für die Erklärung, verstehe es nun besser.
        Dass immer noch auf die gesetzliche Rente gesetzt wird (gerade von den Jüngeren), kann ich nicht nachvollziehen. Ich war in meiner Selbständigkeit dankbar, nicht einzahlen zu müssen, stattdessen privat Geld anlegen zu können. Ich kann nur dazu raten, sich da etwas Attraktives auszuwählen; die gesetzliche Rente wird uns im Alter nicht wirklich vor Armut schützen. Davon bin ich überzeugt.

  2. rabenmutter1 permalink
    Februar 15, 2015 9:54 am

    Hallo Lisa

    Schöne Rezension. Dürfte ich diese mit Quellenangabe auf dem wir eltern Blog verlinken?

    Danke für dein Feedback.

    Lieben Gruss

    Nathalie

    Von meinem iPhone gesendet

    >

  3. Februar 15, 2015 1:42 pm

    Find ich spannend. Und bin gerade froh, dass wir uns um den Aspekt „Lohn und Arbeit“ noch keine Gedanken machen müssen 😉 Das Studium ist da momentan im Vergleich dazu eine Spielwiese.

  4. März 2, 2015 6:27 pm

    Hallo! auf der Suche nach queeren Seiten bezogen auf Muttersein und selbstkritischer queerer Kindererziehung bin ich auf deine Rezension gestoßen..danke..buch hört sich spannend an und ja, ich werde es mir wohl kaufen.Wir stecken in einer ähnlichen Situation mit dem gleichen Anspruch, doch die Lebensrealität und unsere Sozialisation holt uns ein. So ist unser Plan , halbe -halbe mit der Elternzeit zu machen, an meiner befristeten Stelle und dem unerwarteten Projektende gescheitert.. nun ist unser Sohn zwei JAhre alt –Papa arbeitet zwangsweise vollzeit, ich stundenweise freiberuflich und auf Jobsuche, doch beides gestaltet sich schwierig..sind die Betreuungszeiten nicht wirklich kompartibel mit den Gro der Stellen. ..und zu Hause schleicht sich regelmäßig typische Rollenmuster ein..die es immer mit viel Mühe aufzubrechen gilt…mit viel Frust und Energie…

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