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Optionale Elternzeit

September 1, 2013

Irgendwo am Tisch eines Büros, frühmorgens in Deutschland.

Anwesend: Chef 1 (Mann, um die 50), Chef 2 (Mann, um die 50), Kollege 1 (Mann, Anfang 30), Kollege 2 (Mann, Mitte 30), Kollegin (Frau, Anfang 30).

Chef 1: Wir haben diese Sitzung spontan anberaumt, weil wir etwas überrascht davon wurden, dass gleich drei Mitarbeiter Elternzeit nehmen werden. Und das fast zeitgleich. Dieser Kindersegen bei und ist natürlich ein Lob für unsere Firma. Aber wir wissen noch nicht, wie wir das mit der Arbeit regeln sollen. Das kann knapp werden.

Chef 2: Ja, in der Zeit stehen einige wichtige Termine an. Wer möchte denn nochmal wie lange Elternzeit nehmen?

Kollege 1: Zwei Monate,  März und April.

Kollege 2: Drei Monate, vom Februar bis April.

Kollegin: Ein Jahr, von Januar diesen Jahres bis Januar nächsten Jahres.

Chef 2: Dann haben wir ja echt ein Problem. Die Zeit Anfang des Jahres sind wir zu dünn besetzt. Was machen wir denn im März und April?

Chef 1: In den Monaten stehen viele Termine an. Wir müssen jetzt eine Lösung finden. Es ist nicht so leicht, da Aushilfen zu bekommen.

Kollege 1: Ich kann leider nicht, ich bin in der Elternzeit mit der Familie im Ausland.

Kollegin: Bei mir ist halt der errechnete Geburtstermin im Januar. Und dann bin ich ja im Wochenbett.

Kollege 2: Also, wenn es so eng ist – Ich kann ja dann ab und zu aushelfen, wenn Not am Mann ist. Ausnahmsweise übernehme ich dann eben während meiner Elternzeit ein paar Termine.

Chef 1: Oh ja, das ist toll. Das wäre uns eine große Hilfe.

Kollegin: (.)

—–

So sehr ich Verantwortungsgefühle und Angst um den Arbeitsplatz verstehe – was Kollege 2 macht, ist falsch. ‚Optionale Elternzeit‘ sollte keine Option sein.

Denn erstens ist Elternzeit dazu da, sich um sein Kind zu kümmern. Während der Termine, in denen Kollege 2 ‚freiwillig‘ berufstätig ist, kann er das aber nicht tun.  Jemand anders muss das Kind versorgen. Sehr wahrscheinlich ist das seine Frau – die er vor der spontanen Sitzung sicherlich nicht gefragt hat, ob sie das überhaupt will. Zweitens basiert die Elternzeit auf der Idee, dass sie für Frauen wie Männer gleich ist. Beide unterbrechen gleichermaßen die Berufstätigkeit und übernehmen Sorgearbeit – so das Ziel. Zwar klappt das in der Realität oft nicht. Schon in Bezug auf die Quantität der Zeit gibt es massive Unterschiede, weil fast alle Männer im Schnitt nur zwei Monate Elternzeit nehmen und Frauen zwölf. Durch die ‚Option Elternzeit‘, bei der vor allem Väter ab und zu zum Beruf zurückkehren, droht es zusätzlich auf qualitative Differenzen zu geben. Müttern ist es schon allein wegen dem Wochenbett und Stillen (wenn sie sich für letzteres entscheiden) ungleich schwerer, gelegentliche Termine wahrzunehmen. Dadurch besteht die Gefahr, dass sich zwei verschiedene Elternzeiten etablieren: eine ‚echte‘ für die meisten Mütter, und eine ‚light‘ für die meisten Väter. Mit den bekannten beruflichen Nachteilen für die einen und Vorteilen für die anderen.

Empfehlenswert zum Thema ist auch Antje Schrupps Text zu den neuen Vätern und ihrer Option auf Elternarbeit.

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6 Kommentare leave one →
  1. September 2, 2013 5:39 pm

    das ist nicht nur eine gefahr, sondern in vielen fällen alltagsrealität. mein partner hat zwar offiziell zwölf monate elternzeit, und ich zwei, im alltag sind wir jedoch beide zuhause, weil ich meine diplomarbeit schreibe. er verdient ja gerade nichts, nutzt die von außen finanzierte zeit aber, um ein projekt anzuschieben, was im anschluss geld bringen wird. (ist eh alles bei selbstständigkeit nochmal komplizierter.) jedenfalls verbringe ich u.a. aufgrund des stillens de facto (etwas) mehr zeit mit dem kind als er. erst mein abgabedruck jetzt hat dazu geführt, dass ich sein engagement klarer einfordere. was ok ist – aber um die gewöhnung an bestimmte rollen und selbstverständlichkeiten zu durchbrechen, braucht es richtig klare und bewusste handlungen.

  2. September 3, 2013 12:54 pm

    Ich habe während meiner Elternzeit auch gelegentlich berufliche Termine wahrgenommen. Das Baby hatte ich dann dabei. Glücklicherweise ließen die Termine das zu, auch wenn einige Herren der älteren Generation manchmal seltsam geschaut haben.
    Mir war es wichtig, bei den Terminen dabei zu sein und mein Mann hat das unterstützt und den großen Bruder versorgt. Gerade in der Wissenschaft ist es schwierig sich ein Jahr komplett rauszuhalten.

    Aber ja, es ist wirklich unfair, dass in der Regel für Väter andere Regel gelten als für Mütter.

  3. September 4, 2013 12:24 pm

    Das wird man so oder so nicht verhindern können, wenn die Leute es so leben wollen. Irgendwo habe ich mal den Satz über Professoren in Elternzeit gelesen „Frauen kommen mit einem Rückstand aus der Elternzeit, Männer mit einem neuen Buch“

  4. krokodiline permalink
    September 7, 2013 6:52 pm

    Ich sehe das Problem. Als Bürgerin eines Landes, wo der Mutterschutz nach der Geburt 14 Wochen dauert (vor der Geburt gibts gar keinen) und dem Vater genau 1 (EINEN!!!) Tag „Vaterschaftsurlaub“ zustehen, werde ich doch etwas neidisch…

    • gaby post permalink
      Oktober 7, 2013 2:07 pm

      Aber ist das vielleicht auch ein Land wo die Manner mit-verantwortlich sind fur die Versorgung von ihre Kinder und nicht wie hier wo die meisten nur „mithelfen“? Aber es ist tatsachlich so das Elternzeit vielen moglichkeiten bietet (Elternzeit kann nach belieben geteilt werden, beide koennen part-time arbeiten ) – es wird halt nie benutzt. Vielen nehmen das Muster 1 Jahr fur die Frau die danach haufig unbezahlte Elternzeit nehmt und der Mann 2 Monate. Mein Freund war nach sein Elternzeit genau so Arbeitsreif wie ich und hat kein Buch geschrieben, noch zu schweigen von lesen…

Trackbacks

  1. Väterkarenz. Again. Oder: Eine Option, die keine sein sollte. – aufZehenspitzen

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