Zum Inhalt springen

Rassismus raus aus Kinderbüchern

Januar 13, 2013

Eine Bemerkung zu der unsäglichen ‚O-My-God-unsere-Kinder-dürfen-das-N*-Wort-nicht-mehr-in-Kinderbüchern-lesen-Debatte‘. Auslöser war die Ankündigung des Thienemann-Verlages, diskriminierende Sprache in Kinderbuch-Klassikern wie Die kleine Hexe auszutauschen

‚Zeter! und Mordio! Kulturverfall! Und Sprachpolizei! Und Säuberungskampagne! Und sowieso, Political! Correctness!‘ regt sich die Presse von FAZ und Zeit über Deutschlandfunk bis Spiegel auf. (Die Artikel wurden absichtlich nicht verlinkt, am harmlosesten ist noch dieses Interview mit Paul Maar.) In all dieser Aufregung, wird, so oft es sich irgendwie unterbringen lässt, genussvoll das diskriminierende N*Wort geschrieben, am besten schon in der Überschrift. Dabei offenbart sich, neben teilweise erschreckend reaktionärem Gedankengut, eine unglaubliche Ignoranz und Unsensibilität.

Erstens. Das N*-Wort kommt aus der Kolonialgeschichte, es war von Anfang an eine diskriminierende Bezeichnung, die mit Mord, Unterdrückung und Sklaverei verbunden war. Erinnert sei hier etwa an den deutschen Völkermord an den Herero und Nama Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts.

Zweitens. Das Wort ist nicht nur auf Grund der rassistischen Geschichte ein Problem, sondern auch wegen dem andauernd grassierenden Alltagsrassismus. Weiterhin werden Schwarze Menschen mit dieser Bezeichnung beleidigt. Weiterhin sind als nicht-Weiß-klassifizierte Menschen hierzulande der Gefahr von Diskriminierung und Gewalt ausgesetzt. Davor schützt nicht die deutsche Polizei, sondern ganz im Gegenteil. Fälle wie Derege Wevelsiep, der dieses Jahr – ohne auch nur das geringste Vergehen – von der Frankfurter Polizei verprügelt wurde, sind leider keine Ausnahme. Von den NSU-Morden oder dem brutalen Tod Oury Jallohs ganz zu schweigen.

Drittens. Kaum überraschend empfinden viele Schwarze Menschen dieses Wort als diskriminierend und wehren sich gegen seine Verwendung. Seit mehreren Jahrzehnten bringen Schwarze Deutsche dies immer und immer wieder zum Ausdruck. Die Gründe wurden lang und breit erklärt und sind in sehvielen Büchern nachzulesen. Diese Stimmen zu ignorieren ist, besonders für Journalist_innen, überraschend uninformiert. In einem Artikel immer wieder und wieder ‚N*‘ zu schreiben, bedeutet, bewusst zu verletzen.

Viertens. Es handelt sich um Kinderliteratur. Deren Ziel ist gemäß Marion Gerhard, Kindern „hochwertige Literatur zu bieten, die ihnen Welterklärung, Poesie und Lesemotivation zugleich sein kann.“ Der Aspekt der Welterklärung ist für die Debatte sehr wichtig: Kann es irgendwie erstrebenswert sein, Kindern eine rassistische Weltsicht zu vermitteln? Wollen wir Weißen Kindern beibringen, dass es selbstverständlich ist, nicht-Weiße Menschen zu beleidigenden? Und sollen Schwarze Kinder lernen, dass sie N* sind? Dass ihre Perspektive und ihr Empfinden von Anfang an nicht zählen?

Fünftens. Sprache, Kultur und Einstellungen verändern sich. Immer. Und oft erfreulicher Weise. Viele Eltern lesen den ‚Struwwelpeter‘ nicht mehr vor. Denn sie wollen ihren Kindern nicht beibringen, dass sie sterben müssen, wenn sie keine Suppe mehr essen. Und dass ihnen nicht die Finger abgeschnitten werden, wenn sie ihre Haare nicht frisieren. Statt dem Ausdruck ‚Weib‘ sagen wir heute ‚Frau‘. Statt ‚gefallenes Mädchen‘ sagen wir ‚alleinerziehende Mutter‘. So etwas bezeichnet man gemeinhin als Fortschritt.

Sechstens. Beim Argument ‚Wir-können-doch-beim-Vorlesen-mit-unseren-Kindern-über-das-Wort-diskutieren‘ schliesse ich mich Dr Mutti an: „die begrenzte Zeit, den Kindern Toleranz und kritisches Bewusstsein beizubringen, sollte gut genutzt sein. Und der kleine Ausschnitt des Inputs, den ich selber auswähle, der sollte meine Bemühungen unterstützen, nicht konterkarieren.“ Es lohnt sich deswegen eher, von vornherein ein Kinderbuch ohne rassistischen Inhalt zu wählen.

Eine antirassistische Haltung bedeutet nicht, eine Kerze auf einer Lichterkette anzuzünden um ‚ein Zeichen zu setzen‘ und sich dabei gut zu fühlen. Sie bedeutet, eigene Weltbilder und Gewohnheiten zu hinterfragen und gegebenenfalls auf Zeichen zu verzichten. Auch wenn es weh tut.

(PS: Schöne Texte zum Thema sind unter anderem dieser Artikel von Simone Dede Ayivi im Tagesspiegel sowie dieser von Andrej Reisin, der den Leserbrief der neunjährigen Ishema Kane an die Zeit beinhaltet.)

Werbung
58 Kommentare leave one →
  1. Januar 13, 2013 11:27 pm

    Reblogged this on unsichtbares and commented:
    Ich wollte ungefähr dass schreiben. Fuckermothers war schneller. Lest das und teilt das und schreibt mehr coole Kinderbücher.

  2. Januar 14, 2013 2:19 am

    Ganz genau meine Meinung. Ich verstehe überhaupt nicht, warum sich viele so darüber aufregen, dass dieses Wort in Zukunft aus den Büchern rausgehalten werden soll. So viele klassische Geschichten werden immer wieder neu verlegt und überarbeitet, um auch weiterhin für Kinder und andere neuzeitliche Leser geeignet und verständlich zu bleiben. Mit allen Märchen wird das gemacht. Es erstaunt mich, dass anscheinend so viele der Meinung sind, die Aussage dieser Geschichten wäre so wesentlich von solchen diskriminierenden Begriffen abhängig.

  3. Januar 14, 2013 7:56 am

    Ja ja ja ja ja!!

  4. Januar 14, 2013 8:54 am

    Wie verbreitet das N-Wort in Deutschland leider immer noch ist, zeigte erst letztens der Quatsch Comedy Club. Ich habe mich über diese und weitere Entgleisungen ausgelassen auf http://lippyanswer.blogspot.de/2013/01/sexismus-und-n-wort-beim-quatsch-comedy.html

  5. Januar 14, 2013 11:47 am

    „Fälle wie Derege Wevelsiep, der dieses Jahr – ohne auch nur das geringste Vergehen – von der Frankfurter Polizei verprügelt wurde, sind leider keine Ausnahme.“

    Also ist es die Regel, dass deutsche Polizisten schwarze Menschen verprügeln? Im Interesse einer an Fakten orientierten Diskussionskultur bitte ich um Quellen und Belege. (Studien, Statistiken, etc.)

    Ja, es gibt Alltagsrassismus. Aber Polemik in dem o. g. Sinn bringt rein gar nichts, im Gegenteil – diese fällt auf antirassistische Arbeit zurück und erschwert sie unnötig.

  6. Januar 14, 2013 4:08 pm

    Reblogged this on femmeinista and commented:
    Sehr gute Zusammenfassung zur aktuellen Debatte: Rassismus raus aus Kinderbüchern

  7. Stephan permalink
    Januar 14, 2013 4:14 pm

    Selbstverständlich ist „N*“ eine rassistische Bezeichnung. Wer dieses Wort heute benutzt, weiß in der Regel, was er/sie tut und will Schwarze beleidigen. Wie jeder anständige Mensch, würde ich niemals jemanden als „N*“ bezeichnen.
    Dies war aber nicht immer so. So wurde der Begriff „Neger“ in den 60er Jahren absolut selbstverständlich verwendet. So etwa von liberalen AmerikanerInnen, die mit der schwarzen Bürgerrechtsbewegung solidarisch waren (als Beispiel könnte Hannah Arendt gelten). Auch der bekannteste Vertreter er schwarzen Bürgerrechtsbewegung, Martin Luther King, sprach in seiner berühmten I have a Dream Rede mehrfach, und ohne Anführungszeichen, von „negroes“ http://avalon.law.yale.edu/20th_century/mlk01.asp
    Die Überarbeitung vieler Kinderbücher halte ich vor diesem Hintergrund grundsätzlich für richtig. Wenn die kleine Hexe oder Pipi Langstrumpf entsprechend überarbeitet werden, bin ich sehr dafür. Ein Problem habe ich mit Büchern, die vor einem expliziten historischen Kontext stattfinden. Dies trifft z.B. auf die Tom Sawyer Bücher zu. Personen im 19. Jahrhundert von „Schwarzen“ oder „Afroamerikanern“ reden zu lassen, würde den offenen und auf Rassentrennung zielenden Rassismus der weißen Mehrheitsgesellschaft übertünchen und damit fast schon leugnen. Daher könnte ich mir eine entsprechend veränderte Fassung der Werke von Mark Twain nur schwer vorstellen. Allerdings müßte in der Einleitung auf den historischen Hintergrund eingegangen werden.

    • stefaniereuter permalink
      Januar 17, 2013 9:28 am

      Hier vergisst du, dass Wörter in anderen Sprachen andere Bedeutungen haben und das Selbstbenennungen etwas anderes sind als Fremdbezeichnungen.

      • Stephan permalink
        Januar 26, 2013 12:50 pm

        Du hast in beidem grundsätzlich Recht.
        Wenn zwei Schwarze sich gegenseitig „Nigger“ nennen, darf ich dies selbstverständlich noch lange nicht. Trotzdem scheint es mir so, als wäre der Begriff „negroe“ mindestens bis Anfang oder Mitte der 60er Jahre allgemein akzeptiert gewesen, aber vielleicht täusche ich mich hier und es gibt mir einfach nicht bekannte Beispiele dafür, dass der Begriff bereits umkämpft war.
        Dass wörtliche Übersetzungen nicht immer dieselben Bedeutungen haben, ist grundsätzlich gekauft. Worin der Unterschied zwischen „negroe“ und „Neger“ im speziellen liegen soll, ist mir unklar.

    • Dummerjan permalink
      Januar 21, 2013 10:54 am

      “ will Schwarze beleidigen.“
      Nein, die Person, die es verwendet will einen starken Effekt erzielen – und das schöne Wort „Schwarze“ was meint das denn wohl? Vielleicht auch Menschen?

      Sprechen wir mal über „die Reisschüssel“ und „Schwarze Menschen“. Könnte es sein, daß immer nur die Anderen diskriminieren?

      Es gibt einfach keine „schwarzen Menschen“, es gibt allenfalls Menschen mit schwarzer Hautfarbe. genausowenig wie es behinderte Menschen gibt, allenfalls Menschen, die behindert werden.

      Und leider sind die Autoren diese Blogs zu feige zuzugeben, daß sie einen Troll wie mich brauchten um Herero statt Hero zu schreiben.

      Es geht Euch nicht um die Menschen die mit abwertenden Ausdrücken bezeichnet werden, denn sonst gäbe es auch keine Machos oder Testosterongeschwängertheit imd Vokabular der zugehörigen Volksvertreter.

      Ihr seid auf halbem Wege stehen geblieben und zwar dort, wo es darum ging die Komfortzone zu verlassen.

      • Stephan permalink
        Januar 26, 2013 12:39 pm

        „Schwarz“ ist eine Selbstbezeichnung, von der „Black Panther Party“ und „Black Power“ bis zur Initiative Schwarze Menschen in Deutschland“ ehemals „Initiative Schwarze Deutsche“. Dazu als Anregung der sehr schöne Film „Keine Angst vor schwarz“ http://www.youtube.com/watch?v=U10olZFO1yA

  8. Januar 14, 2013 5:49 pm

    Danke für diesen Artikel! ❤

  9. Arduinna permalink
    Januar 14, 2013 5:54 pm

    Feiner Blog! Genauso empfinde ich das auch. Ich war schließlich auch mal ein gefallenes Mädchen, möchte nicht Weib genannt werden und nenne ganz sicherlich niemanden N*. Ich habe drei Kinder und alle sind in den Genuss von Preußler und Lindgren gekommen, und beim Vorlesen „zensiere“ ich das Wort – oh ja, schrecklich, ich zensiere deutsche Sprache, Allgemeingut, künstlerische Freiheit! Nein, ich möchte nicht um acht Uhr abends mit meinen Kindern über Sklaverei und den Wandel der Sprache sprechen, ich möchte ein Buch vorlesen. Sicherlich ist es gut, Kinder zu weltoffenen, differenzierenden Menschen zu erziehen, aber das passiert nicht mit vier Jahren kurz vor dem Schlafengehen auf der Bettkante.
    Ich bin ausgesprochen dagegen, Wörter wie „Schuhwichse“ auszutauschen – Kinder in dem Vorlesealter haben keine Assoziation mit dem Wort Schuhwichse, ich empfinde es als überflüssig und bieder, so ein Wort aus der kleinen Hexe zu streichen, weil wir Erwachsenen damit etwas *hihi oh peinlich* Anrüchiges verbinden.
    Aber dass Pippis Vater zum König über eine Insel gemacht wird, weil er selbst ein Weißer ist und die Inselbewohner schwarz – das ist kein Weltbild, das ich auch noch durch die Wortwahl vermitteln möchte. Ich sträube mich gegen das Wort, und ich finde eine sanfte Modernisierung der Kinderbuchklassiker begrüßenswert – auch wenn ich bislang dachte, ich sei der einzige Mensch, der das so sieht! Danke für den Blog!

  10. sternenfrau permalink
    Januar 14, 2013 9:21 pm

    Hmpf… ich bin nicht der Meinung, dass man die Originale durch „verträglichere Ausdrücke“ überarbeiten sollte. Die Bücher wurden so geschrieben, wie sie sind. Es erinnert mich irgendwie ein wenig an das „Ministerium für Wahrheit“, wenn nachträglich an Texten herumgedoktort wird, bis sie „passen“. Mir hat das Vorlesen von Büchern durch meine Eltern, die sie mir unzensiert vorgetragen haben, nicht geschadet. Ich bin auch nicht der Meinung, Bücher für Erwachsene in leichtere, „zeitgemässere“ Sprache zu „übersetzen“. Entweder, man bringt das intellektuelle Differenzierungsvermögen mit, oder eben nicht. „Ulysses“ von Joyce kann es nicht in „einfacher Sprache“ geben und wenn, dann wäre es nicht mehr Ulysses von Joyce. Genausowenig, wie die Kleine Hexe die Kleine Hexe wäre. Ich hätte kein Problem damit, meinem Kind zu sagen, dass das N*-Wort 😉 heute einfach nicht mehr gebräuchlich ist und es in dem Buch noch so drin steht, weil es einfach eine ganz alte Geschichte ist. Jedes Kind würde so eine Erklärung verstehen und dann kann man schön weiter vorlesen. Und das schreibt eine, die absolut nicht rechts ist, sondern der einfach etwas an den geschriebenen Originalen liegt. Einfach, weil ich keine Lust habe, eine Entwicklung Richtung „Neusprech“ zu unterstützen. Sonst hieße es in Moby Dick unter´m Strich dann nur noch: „Minimal pgimentierter Wal voraus!“

    • Astrid permalink
      Januar 16, 2013 10:33 am

      Dann hast Du bestimmt kein Problem damit, wenn Dein Kind Dich „Fotze“ nennt. Schließlich heißt das ja nur „Tasche“. Oder „Nutte“ – heißt ja nur „Ritze“.

      • monebeni permalink
        Januar 16, 2013 4:34 pm

        Ich hab das anders verstanden, natürlich hätte ich ein Problem damit F* genannt zu werden, so wie ich auch niemanden mehr N* nenne würde, aber es gab vielleicht eine Zeit da wurde F* als Synonym für Tasche benutzt und wichsen hieß Schuhe putzen. Warum sollte ich das meinen Kindern nicht erklären können oder – so sie das Buch selbst lesen- mit einer Fußnote erläutern können?

    • Januar 17, 2013 12:54 am

      Das ist falsch, Literatur wird und wurde immer verändert. Das das was in Büchern steht, exakt dem Wortlaut des Autors entspricht ist ein anscheinend weit verbreiteter Irrglaube. Zumal in diesem Fall auch der Verlag mitgeteilt hat, dass Änderungen nur mit Zustimmung des Autoren stattfinden. Was aber oft nicht der Fall ist.

  11. B. Butzbach permalink
    Januar 14, 2013 9:32 pm

    Wer damit anfängt, das eine Wort in (Kinder)Büchern tilgen oder verbieten zu wollen (z. B. „N*“), der wird dadurch schneller als ihm lieb ist eine fundamentalistische Meute aufscheuchen, die auch andere Wörter, z. B. das Wort „Hexe“, verbieten will. [2012 verboten drei Elternpaaren ihren Kindern einer stinknormalen Grundschule in Pinneberg zu einem Theaterstück zu gehen, da dort auch eine Hexe auftrat; Argument: In der Bibel ist von Hexen nicht die Rede.- Ich machte damals gerade ein Praktikum in dieser Klasse.]

    Einem Kind Vorstellungen darüber zu vermitteln, WAS eine „Hexe“ oder ein „böser Wolf“ oder ein „N*“ oder ein „Kobold“ oder ein „Müller“ oder ein „Zauberer“ oder ein „Zwerg“ sei, müssen die Eltern leisten. Davor haben leider viele Eltern ANGST.

    Und solange es Eltern gibt, die (im übertragenen Sinne) ihren Kindern Vorstellungen vermitteln, wie beispielsweise: „Der böse Wolf ist Moslem“ – Dann wird das Problem nicht aus der Welt geschafft, indem „der böse Wolf“ aus den Märchen verschwindet.

    Statt Wörter zu tilgen rufe ich dazu auf: Erzieht eure Kinder dazu, Fragen zu stellen!
    Ein Kind wird fragen: „Was ist ein N*?“ Dann haben die Eltern alles richtig gemacht.
    Leider beobachte ich, dass viele moderne Eltern die unangenehmen Themen und Wörter lieber totschweigen oder tilgen wollen, als sich mit ihnen auseinanderzusetzten.

    Die Welt ist komplexer als eine Ein-Satz-Antwort (z. B. „Das sagt man nicht!“)

    • klabautermann47 permalink
      Januar 15, 2013 8:29 am

      „Statt Wörter zu tilgen rufe ich dazu auf: Erzieht eure Kinder dazu, Fragen zu stellen!“ DAS ist es und wenn wir uns diese allgemein bekannte Wahrheit einfach mal zu Herzen nehmen würden, gäbe es solche bescheuerten Debatten wie P.C. im Kinderbuch auch gar nicht. Nicht „Gegenstände“ wie Kinderbücher müssen sich der Zeit anpassen, der denkende Mensch muß es.

    • sternenfrau permalink
      Januar 15, 2013 5:02 pm

      Ganz meine Meinung! 🙂

    • Anne permalink
      Januar 15, 2013 6:17 pm

      Es gibt offenbar keine einfache Lösung. Aber das Problem, an dem dieser Beitrag, wie auch Sternenfrau und Stephans vorbei geht, ist doch: Wieviel wiegt die Verletzung der von einem solchen Begriff Betroffenen (im Gegensatz zu unserem Unbehagen oder unserer Belustigung darüber, wie oberkorrekt da jemand sein wolle, oder was das in anderen Bereichen wiederum auslösen könnte, oder wie elaboriert wir das unsern Kindern erklären würden – und wieviele würden es vermutlich eher nicht, weil latenter Alltagsrassismus und „man muss doch mal sagen dürfen“ häufig anzutreffen ist)? Es diskutieren doch hier wie da immer die privilegierten Mehrheiten darüber, ob das gemacht werden muss und wie wir das beurteilen würden, aber diejenigen, die ständig (Alltags)rassimus ausgesetzt sind und deren Leid daran, sind doch der Maßstab für die Erforderlichkeit von Maßnahmen, oder nicht?

    • Maike permalink
      Januar 15, 2013 7:43 pm

      … fundamentalistische Meute aufscheuchen, die auch andere Wörter, z. B. das Wort “Hexe”, verbieten will

      Findest du das Wort Hexe positiv?
      Ich jedenfalls nicht. Da wäre zunächst die Inquisition, Hexenhammer, Hexenbulle und Hexenverbrennungen. Man schätzt die Zahl der überwiegend weiblichen Opfer auf 40.000 bis 60.000. Sie wurden auf bestialische Weise gefoltert und verbrannt. Wie wird sich wohl ein Mädchen fühlen, dass mit niedlichen kleinen Hexen im Büchern aufgewachsen ist, wenn es feststellen muss, dass 10tausende Frauen auf so abscheuliche Weise umgebracht wurden?

      Das Konzept der Hexe ist untrennbar mit Dämonisierung des Weiblichen, Machtpositionen und Frauenunterdrückung verbunden. Im historischen Märchen ist die Hexe nie positiv besetzt. Sie ist immer eine böse alte Frau. Im Zuge dessen wird auch die „alte Frau“ diffamiert. Dieses Mem besteht bis heute fort. „Hexe“ ist auch heute noch ein Schmähbegriff, der gegen Frauen gebraucht wird, die sich z.B. nicht geschlechtskonform verhalten oder Feministinnen sind.

      Angesichts dieses Befundes ist mir unklar, wie die Forderung, den Begriff „Hexe“ nicht spielerisch und verharmlosend zu verwenden, als fundamentalistisch abtun kann.
      Da frage ich mich schon, wie historisch belastet ein Wort, dass sich gegen Frauen richtet, sein muss, und warum hier nicht die gleichen Maßstäbe gelten wie bei rassistischen Begriffen.

  12. Januar 15, 2013 7:50 am

    Danke für den Beitrag! Da bin ich ganz deiner Meinung. Ich glaube außerdem auch, dass AutorInnen wie bspw. auch Astrid Lindgren bestimmt gewollt hätten, dass man die Sprache ihrer Bücher, die nunmal in den Sprachkonventionen ihrer Zeit entstanden sind, an die heutige lieber anpasst, anstatt die Geschichten im Regal stehen zu lassen, denn es sind ja tolle Geschichten! Mutmaßungen… In jedem Fall ist das Anliegen bestimmte Wörter in besagten Büchern anzupassen sinnvoll und notwendig.

    • Januar 17, 2013 2:32 pm

      @Fraeulein Rabatzki: Das genaue Gegenteil ist der Fall. Astrid Lindgren hat sich bis zuletzt dagegen gewehrt, dass ihre Bücher zensiert oder umgeschrieben werden. Erst ihre Erben haben eine entsprechende Vereinbarung mit dem deutschen Verlag getroffen. Pippi Langstrumpf war in Schweden immer starker Kritik ausgesetzt, nicht wegen dem N*-Wort, sondern wegen dem Koffer Gold, den das Kind besaß. Darin sahen viele Schweden eine Verherrlichung des Kapitalismus.

  13. Arduinna permalink
    Januar 15, 2013 9:24 am

    Das wird natürlich gerne unterstellt, dass wir Eltern zu bequem sind, um mit unseren Kindern darüber zu reden. 1. finde ich, dass Moby Dick, Ulysses und Huck Finn in einer anderen Liga spielen als Die kleine Hexe – keiner will da irgendeinen Kontext verfremden oder den Text vereinfachen. Es ist gar nicht die Rede davon, Texte zu vereinfachen, weil wir jetzt alle dümmer geworden sind. O_O
    2. Ich finde es sehr viel sinnvoller, mit meinen Kindern gezielt über das Thema zu reden als „on the fly“ auf der Bettkante. Meine Kinder wissen sehr wohl, was Sklaverei bedeutet und was weiße Einwanderer amerikanischen Ureinwohnern angetan haben und dergleichen mehr – aber diese Gespräche fanden in einem anderen Rahmen statt als während einer Faschingsszene in der kleinen Hexe. Und – ja, ich finde, dass Preußlers Romane immer noch sehr schön sind, aber sie sind nicht über jeden Zweifel erhaben und nicht unantastbar. Und es geht nicht darum, mit der Entscheidung, N* aus den Texten zu nehmen, einen ersten Schritt in die Richtung einer allgemeinen Zensur zu tun – das wird auch nicht geschehen. Ich finde, dass notwendige große Aufschreie bei so vielen wichtigen Themen ausbleiben, aber wenn es um ein N*-Wort geht, empören sich auf einmal alle. Ich verstehe das überhaupt nicht.

  14. Dummerjan permalink
    Januar 15, 2013 11:50 am

    „Hero“ – Herrero, und das zeigt die Instrumentalisierung der Diskussion. Man macht sich nicht die Mühe, doch mal die Einzelheiten nachzusehen, Hauptsache es liegt ein Empörungsgrund vor.

    Die „N*“-Empörung ist wohlfeil, aber die Forderung mal die Sperberstraße in Berlin-Dahlem umzubenennen (SMS Sperber war an der Niederschlagung des Herreroaufsstandes bereiligt) dazu reichts dann noch nicht mal an der FU.

    Und wenn meine kroatischen Kollegen zum unserem „Fußballn*“ „B*“ sagen, ist das Besser? xxx

    Irgendwie trägt diese Diskussion auch den Stempel einer Mittelschicht, die nur reduzierten Umgang mit Bürgern mit Migrationshintergrund haben.

    UNd letztlich, als Autor, finde ich es einigermaßen überheblich anderen Autoren ihre Wortwahl vorschreiben zu wollen.

    Und vielfach verliert Literatur z.B. die gegen die Sklaverei in den USA gerichtet wird ihr anklägerisches Potenzial, wenn man diese im VOkabular glattbügelt: Man stelle sich vor, wenn Huckleberry Finn anstatt von seinem Ni* Jm zu sprechen von seinem Gefärbten Jim ( das ist ja wohl die korrekte übersetzung von Colored) spricht.

    Dass die Amerikaner, mit ihrer fortgesetzten Geschihcte der Diskriminierung der Farbigen hier ein Problem haben, heißt doch nicht, dass wir das im deutschsprachigen Raum das direkt übernehmen müssen.

    • Dummerjan permalink
      Januar 17, 2013 9:59 am

      Leider habe ich mit dem Brailletablett Schwierigkeiten ausgeblendete Worte zu lesen – Sie werden schlicht unlesbar.

  15. Dummerjan permalink
    Januar 15, 2013 11:52 am

    P.S: Und Korrektur meiner surrealen Rechtschreibung ist für mich Diskriminierung von Sehbehinderten, weil ich als solcher mit einem Brailletablett schreibe und da sind Korrekturen leider etwas schwieriger.

  16. Januar 15, 2013 12:42 pm

    @sternenfrau: das N-Wort ist nicht einfach nur „nicht mehr gebräuchlich“!! Es ist rassistischer Sprachschatz, eine rassistische Fremdbezeichnung.
    @butzbach es ist eben deshalb auch nicht vergleichbar mit Hexe oder Kobold. Rassismus ist diskursiv, er wird nicht biologisch, sondern mit Worten aufrechterhalten. Das Spiel mit Worten (auch z.B. in der Satire) produziert Rassismus. Die Verwendung des N-Worts von reflektierten Personen ändert nichts daran, was es auslösen kann. Es geht nicht um den oder die Sprecher_in, sondern um die damit benannten Menschen. Eigentlich müsste dies ausreichen, es nicht wieder zu verwenden. Ist dies nicht der Fall, empfehle ich Literatur von Frantz Fanon, Stuart Hall, Susan Arndt, Kien Nghi Ha oder Mark Terkessidis. Das N-Wort ist ein Weißes Konzept, das seine Verwender_innen in eine koloniale Ordnung zwingt. Rassistischen Wortschatz zu verwenden, heißt die Ideologie dahinter zu befürworten.

    • sternenfrau permalink
      Januar 17, 2013 6:26 pm

      @Astrid:
      Du schreibst: „…Wieviel wiegt die Verletzung der von einem solchen Begriff Betroffenen…“ Ja, wie viel denn? Es mag einen N* geben, der sich sehr verletzt fühlt, einem anderen ist es völlig egal, wie andere ihn nennen. Man kann doch nicht pauschal davon ausgehen oder unterstellen, dass alle Menschen, die ein bestimmtes Merkmal erfüllen, sofort betroffen sein müssen, wenn man sie so oder so bezeichnet.
      Und, um es noch mal klar auszudrücken: ich verwende solche Begriffe selber nicht, weder das N*-Wort, noch das F*-Wort, dass Du verwendet hast sowie zahlreiche andere Wörter. Und ich finde es nicht widersprüchlich, für mich zu entscheiden, welche Wörter ich gebrauchen will und welche nicht und gleichzeitig die Literatur, wie sie geschaffen wurde, so sein lassen zu können, wie sie von den Autoren geschrieben wurde.

      @Maike:
      „Findest du das Wort Hexe positiv?
      Ich jedenfalls nicht.“
      Ehrlich: wenn mich jemand so nennt, lächle ich und bin stolz darauf! Wichtig ist, welche Bedeutung ICH einem Wort gebe.

      @Arduinna:
      die „Liga“ von Büchern interessiert mich in diesem Zusammenhang nicht, denn das wäre im Prinzip „Rassismus an der Literatur“ (das ist „gute“ und das ist „schlechte“ Literatur und: wer bestimmt das?). Alles findet seine Leserschaft. Ich bin einfach dagegen, dann man sich (aus welchen Gründen auch immer) aufschwingt, literarische Werke (und das sind sie alle, ob nun „gut“ oder „schlecht“) einer Anpassung zu unterziehen, nur damit ein Leser sich bei der Lektüre nicht in seinem Ego (denn um nichts anderes geht es) gekränkt fühlt.

      @aufZehenspitzen:
      Du schreibst: „Rassistischen Wortschatz zu verwenden, heißt die Ideologie dahinter zu befürworten.“ Wenn ich das so aufgreife, dann kann ich auch sagen: „Tierprodukte zu essen bedeutet, Massentierhaltung zu befürworten.“ Und, ist das wahr? Auch hier kann man pauschal weder ja noch nein sagen.

      Insgesamt bin ich der Meinung, dass diese „Wortklauberei“ (fast schon im wahrsten Sinne des Wortes) eine reine Ego-Nummer ist. Natürlich bedeutet achtsame Kommunikation mit meinem Gegenüber, dass ich Worte bewußt wähle und eine Grundhaltung habe, aus der erkennbar ist, dass ich niemandem schaden möchte. Kein Thema. Und das hat nichts mit Veränderungen in bestehenden literarischen Werken zu tun. Und ein jeder gibt den Dingen, den Worten eine eigene Bedeutung. „So sollte man nicht reden!“ oder „So sollten anderen nicht reden!“ lenkt nur von einem ab: sich selbst.

      Wer sich jetzt an meinem Kommentar stört und vielleicht schon „hoch“ geht, den lade ich ein, kurz inne zu halten und sich zu fragen, was genau da so aufregt und ob es nicht vielleicht das eigene Ego ist, dass sich dagegen auflehnt, dass hier eine Meinung vertreten wird, die von der eigenen abweicht. Und wenn etwas wie „Ich kann andere Meinungen schon stehen lassen, ABER…“ hochkommt, darf gerne noch etwas weiter inne halten. 😉

      • Anne permalink
        Januar 17, 2013 8:08 pm

        Habe ich das richtig verstanden: Du findest, dass erst eine bestimmte Menge an Menschen sehr verletzt worden sein muss, damit das mehr wiegt, als das Interesse vieler nicht von Rassismus betroffenen, ihre Literatur nicht zu verändern?
        Dann noch einen kleinen Hinweis:
        „Es mag einen N* geben, der sich sehr verletzt fühlt,…“
        „Und, um es noch mal klar auszudrücken: ich verwende solche Begriffe selber nicht, weder das N*-Wort, noch“…

      • Maike permalink
        Januar 17, 2013 9:45 pm

        Ehrlich: wenn mich jemand so nennt, lächle ich und bin stolz darauf! Wichtig ist, welche Bedeutung ICH einem Wort gebe.

        @sternenfrau
        Das ist ja nun ein gewaltiges Eigentor. Denn weiter oben argumetnierst du genau anders herum:

        Man kann doch nicht pauschal davon ausgehen oder unterstellen, dass alle Menschen, die ein bestimmtes Merkmal erfüllen, sofort betroffen sein müssen, wenn man sie so oder so bezeichnet.

        Dein Empfinden in allen Ehren, aber du kannst nicht für alle sprechen, die mit dem Wort „Hexe“ beschimpft werden.
        Oder sollten wir den PoC raten, N* einfach eine andere Bedeutung zu geben?

      • sternenfrau permalink
        Januar 18, 2013 2:25 pm

        @Anne:
        tut mir leid, aber da hast Du mich falsch verstanden. Es geht mir nicht darum, dass eine wie auch immer bezifferte „kritische Masse“ erreicht sein muss, um Änderungen in Literatur durchzuführen. Ob bzw. wie viele Menschen sich in ihrem Ego verletzt fühlen könnten, wenn man etwas auf eine bestimmte Weise ausdrückt, ist unter´m Strich immer eine Vermutung. Es geht mir, um mich zu wiederholen, einfach darum, dass ich absolut dagegen bin, Literatur nachträglich zu verändern. Schade, dass das aus meinem ersten Kommentar offenbar nicht klar genug hevorgegangen ist. Man könnte (um jetzt mal ein wenig polemisch zu werden) auch Warnhinweise auf den Büchern anbringen: „Dieses Werk enthält eine von Vielen als rassistisch eingestufte Wörter.“ Jede/r entscheidet letztlich selbst, ob man etwas als antößig/rassistisch was-auch-immer empfindet und auch, was man lesen möchte oder nicht.
        Achja: stimmt, ich hätte ganz neutral schreiben können: „es könnte jemand geben, der sich durch die Verwendung des als von Vielen als rassistisch eingestuften Wortes sehr verletzt fühlt…“ Fakt ist: ich renne nicht durch die Gegend und bezeichne Menschen so, ich habe das Wort noch nicht mal hier ausgeschrieben, genausowenig benutze ich die anderen Wörter, die Du hier als Antwort auf einen meiner Kommentare bemüht hast.

        @Maike:
        Bitte lies doch meinen Kommentar noch mal genau und beweise mir, wo ich „für alle“ spreche. Ich spreche nur für mich und wie ich das Thema sehe. Und klar: es mag Menschen geben, die sich traurig/betroffen/verletzt fühlen, wenn man sie „Hexe“ nennt. Und das bedeutet nicht, daß ich mich ebenso fühlen muss. Und es geht auch nicht darum, dass man Wörtern eine neue Bedeutung „verordnet“: die Bedeutung von Wörtern und der eigene Umgang mit ihnen ist eine individuelle Angelegenheit. Ein jeder möge für sich und die eigenen Interessen einstehen: wer sich nicht verletzt fühlt, kann lachen, wer sich betroffen fühlt, kann die Angelegenheit mit demjenigen, der ihn beschimpft hat, klären. Davon, welche Bedeutung ICH für mich den Worten gebe, hängt ab, wie ich darauf reagiere.

      • sternenfrau permalink
        Januar 18, 2013 2:57 pm

        @Anne:
        sorry, mit meinem letzten Satz hatte ich Dich mit der Kommentatorin Astrid verwechselt.

      • Maike permalink
        Januar 18, 2013 9:27 pm

        Ich spreche nur für mich und wie ich das Thema sehe.

        Gut. Dann ist aber auch klar, dass dein Empfinden bez. des Begriffes Hexe nicht ausschlaggebend ist.
        Die Frage, ob man PoC raten sollte, N* einfach eine andere Bedeutung zu geben, ist auch noch offen.

      • sternenfrau permalink
        Januar 20, 2013 9:56 pm

        @Maike:
        Ausschlaggebend ist die Allergie. 😉

  17. Maike permalink
    Januar 15, 2013 2:28 pm

    „Statt dem Ausdruck ‘Weib’ sagen wir heute ‘Frau’. Statt ‘gefallenes Mädchen’ sagen wir ‘alleinerziehende Mutter’. So etwas bezeichnet man gemeinhin als Fortschritt.“

    So etwas bezeichnet „man“ keineswegs gemeinhin als Fortschritt, sondern als Euphemismus-Tretmühle:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Euphemismus-Tretm%C3%BChle

    • Tim Leuther permalink
      Februar 2, 2013 3:00 am

      Bei „Weib“ stimme ich Ihnen zu. Bei „gefallenes Mädchen“ nicht so richtig. Denn letzteres hat ja einen Inhalt in sich. Nicht nur einen den man reininterpretiert.

  18. Januar 15, 2013 5:02 pm

    Gleich vorweg: 1. werde ich von meinem Sohn als „Feministin“ bezeichnet :-), 2. habe ich ganz bewusst mit ihm „Kinder- und Jugendbücher“ verschiedener Epochen gelesen, ja, mit allen darin enthaltenen „Un-„Worten, (allerdings nicht unreflektiert, danke B. Butzbach!, stimme dir voll und ganz zu!), 3. gibt es heute genauso viele diskriminierende Texte und Bücher, nur in anderen, aktuellen Kontexten, und die werden in 50, 100, 200 Jahren (so sie dann noch existieren, aber das hängt wohl vom digitalen Verfallsdatum ab) als ebenso prekär für die jeweiligen Kinder angesehen werden.

    Vor diesem Hintergrund: Scheuklappen verdummen, und Dummheit macht erst recht empfänglich. Jüngeres Beispiel: der sich NACH der Wende im Osten Deutschlands entwickelnde Rassismus, von dem mir kubanische und vietnamesiche Freunde „live“ berichteten. Übrigens: die besten Nxxxwitze erzählt mein togoischer Adoptivsohn. Der schüttelt den Kopf und meint, die Deutschen seien „total bescheuert“, sich über solche Wörter aufzuregen. Und er sagt, dass dieses vorgeschobene Aufregen eine tiefere Auseinandersetzung mit unausgesprochenem Rassismus geradezu verhindere…..

    Ich selbst habe die Hexe immer vor Hänsel und Gretel retten wollen. Und fand Jim Knopf immer total chauvinistisch, ebenso wie den kleinen Prinzen. Und Momo schlicht und einfach langweilig, Bastian Balthasar Bux hingegen absolut widerlich. Aber DAS darf ich hier in diesem Kontext wahrscheinlich auch nicht sagen, oder?

    Ebenso wenig wie mich über das „Unwort des Jahres 2012“ aufzuregen. Oder?

    • Dummerjan permalink
      Januar 17, 2013 10:05 am

      „Und er sagt, dass dieses vorgeschobene Aufregen eine tiefere Auseinandersetzung mit unausgesprochenem Rassismus geradezu verhindere…“
      Exakt. Und zwar den der in der Mittelschicht sich als Critical Whiteness gebärdet.

      Das ist der Unterschied zwischen Symbol und Tat – den Sartre seinen Schülern im Kampf gegen die Nazis beibringen wollte.

      Oder wie in „The Help“ wo man zwar auf Wohltätigkeitsbällen Geld für die armen N*kinder in Afrika sammelt, aber die Kinder der eigenen Hausangestellten zu Krüppeln schlägt.

      Die f*mothers – hier ist mal der * angebracht um der allgemeinen Verrohung des Sprachwortschatzes entgegenzuwirken haben diesen Punkt absolut belegt.

  19. Januar 18, 2013 10:01 am

    @sternenfrau [du schreibst: „@aufZehenspitzen:Du schreibst: “Rassistischen Wortschatz zu verwenden, heißt die Ideologie dahinter zu befürworten.” Wenn ich das so aufgreife, dann kann ich auch sagen: “Tierprodukte zu essen bedeutet, Massentierhaltung zu befürworten.” Und, ist das wahr? Auch hier kann man pauschal weder ja noch nein sagen.“] Doch, das kann man so pauschal sagen. Rassismus ist keine Privatdefinition und auch keine Privatangelegenheit. Und solange „wir“ immer gleichgesetzt wird mit „wir, Weiße“ und in Gegensatz zu „den anderen“, zu „den Schwarzen“, gesetzt wird, solange ist dies rassistisches Handeln. Aber du entlarvst dich ohnehin selbst, wenn du schreibst auch „Es mag einen N* geben, der sich verletzt fühlt“ – du bist ja nicht nur gegen die Streichung rassistischen Wortschatzes in Kinderbüchern, du verwendest diesen ja ohnehin selber (insofern, dass du andere Menschen damit benennst!! da hilft auch das Nicht-Ausschreiben nichts, da du das N-Wort ja trotzdem gegen jemanden richtest und somit einsetzt) – insofern bestätigst du an dir selbst, was du kritisierst. Nämlich, dass die, die rassistischen Wortschatz verwenden, die Ideologie dahinter befürworten und auch vertreten und weitertragen.
    Für Weiße ist es sehr schwierig, eigene rassistische Tendenzen zu erkennen – auch, weil wir eben so sozialisiert wurden. Und genau diese Sozialisation muss aufhören. Rassistischen Wortschatz aus Kinderbüchern zu streichen ist ein Schritt dahin. Weiße sollen nicht weiterhin als Weiße sozialisiert werden und Schwarze nicht weiterhin zu Schwarzen gemacht werden. Auch, weil „wir“ nicht „wir, Weiße“ sind. Außerdem lasse ich mir als Frau auch nicht von einem Mann erklären, dass etwas, das ich als sexistisch bezeichne, gar nicht sexistisch gemeint sei. Und darum sollten Weiße in der Diskussion um Rassismus aufhören, immer nur zu erklären, dass das und das doch nicht Rassismus sei, sondern ganz anders gemeint sei. Womit ich auf den 3. Punkt des Beitrags von Fuckermothers hinweise, der eigentlich alleiniger und ausreichender Grund für die Streichung von N-Wort und Co sein müsste.

    • sternenfrau permalink
      Januar 18, 2013 2:44 pm

      @aufzehenspitzen:
      [Aber du entlarvst dich ohnehin selbst, wenn du schreibst auch “Es mag einen N* geben, der sich verletzt fühlt” – du bist ja nicht nur gegen die Streichung rassistischen Wortschatzes in Kinderbüchern, du verwendest diesen ja ohnehin selber (insofern, dass du andere Menschen damit benennst!!]
      In meiner Antwort zu einem anderen Kommentar weiter oben habe ich hierzu schon etwas geschrieben. An dieser Stelle möchte ich das daher nicht noch mal alles wiederholen. Ich habe keinen anderen Menschen mit diesem Begriff benannt, ich hatte beim Schreiben noch nicht mal irgendwen vor meinem geistigen Auge! Das kannst Du nun glauben oder eben nicht.

      Ich danke Dir ganz ehrlich für Deinen Kommentar, der mir gezeigt hat, wo genau der Haken ist, warum ich hier mit meiner Meinung so viel „Gegenwind“ ernte: in meinem Denken gibt es kein „wir Weißen“ oder „die Schwarzen“. Vielleicht kann ich deswegen auch diese Debatte nicht so ganz nachvollziehen.

      Du schreibst: „Und genau diese Sozialisation muss aufhören.“
      Ich bin der Meinung, dass das dualistische Denken, dass Trennung voneinander im Geist bewirkt, aufhören muss. Wenn ich mich als getrennt von meinem schwarzafrikanischen Arbeitskollegen, den ich tatsächlich habe, betrachte, erzeuge ich nur in mir und ihm Leid. Welchen Sinn soll das haben? Leid beenden bedeutet, in sich (also im eigenen Inneren) trennendes Denken wahrzunehmen und zu ändern. Das geschieht nur aus sich selbst heraus und nicht, indem man Wörter streicht oder fordert, „das muss aufhören!“ – es gibt nur einen Menschen, der sich ändern „muss“: man selbst.

  20. emi permalink
    Januar 18, 2013 11:54 am

    Reblogged this on elghinyrr linthar dro und kommentierte:
    (zuerst hier erschienen: https://fuckermothers.wordpress.com)

  21. Andrea Mordasini, Bern permalink
    Januar 22, 2013 10:07 pm

    Vom Umschreiben „politisch unkorrekter“ Bücher wie zum Beispiel die Globibücher halte ich nicht viel. Wenn, dann können wir ja beim Vorlesen ein anderes Wort brauchen. Und noch viel wichtiger ist es doch, dass wir Erwachsene als gutes Beispiel und Vorbild vorangehen und unseren Kindern wichtige Werte wie Respekt, Rücksicht, Anstand und gutes Benehmen vorleben.

  22. Tim Leuther permalink
    Februar 2, 2013 2:58 am

    Das N Wort kommt aus dem Iberolateinischen. Es heißt schlichtweg Schwarzer / Schwarze. Es wurde von den Nordeuropäern übernommen weil die damals zu dämlich waren vernünftige Schiffe zu bauen. Die Umbenennung mit etwas anderem als einer „Euphemismustretmühle“ zu beschreiben, läuft ins leere. Das die die sich mit Sprache etwas auskennen das lächerlich finden, das nun sogar die Artefakte der Euphemismustretmüle verschwinden sollen, ist nachzuvollziehen. Objektiv betrachtet ist das N-Wort sogar besser als Afrikaner. Denn Afrika kommt vom römischen Senator Scipio Africanus. Das ist sicher inkorrekter als das spanische/portugiesische Wort für Schwarz.

  23. Februar 17, 2013 3:46 pm

    Ich finde das Thema schwierig. Wenn eine Tatsache als solche negativ belegt ist, dann hilft es nicht, neue Worte zu kreieren, die dieselbe Tatsache beschreiben, da mit der Zeit auch diese Worte über kurz oder lang negativ belegt sein werden.
    Warum gibt es wohl so viele Schimpfworte, die im Grunde synonym sind? Weil ältere Begriffe zu schnöden Schimpfworten verkamen und sich die wissenschaftlichen Texte davon abheben wollten um distanziert beschreibend an ihr Thema heranzugehen.
    Vielmehr müssten die Herzen der Menschen mit den Tatsachen selbst versöhnt werden. Also die Ablehnung gegenüber der Tatsache muss bekämpft werden, nicht die Nutzung der negativ belegten Worte. Wirklich gelungen ist doch der Schritt nicht wenn man jemanden als „maximalpigmentiert“ bezeichnet(ich hasse den Begriff, klingt als ob man über Ameisen oder abstrakte Kunst redet), sondern wenn die Tatsache der Hautfarbe keine Rolle mehr spielt. Mehr als 90% der Bedeutung eines Wortes hängen doch immer von Tonfall, Kontext und sogar Mimik ab. Es muss also nicht in erster Linie die Sprache verändert werden, sondern die Bedeutung der Sprache, die Intention der Menschen. Schlimm genug, dass man heutzutage die politische Richtung der Menschen an der Nutzung bestimmter Begriffe ableiten kann, sodass die verschiedenen Seiten sich auch noch durch eigene sprachliche Definitionssysteme abgrenzen und eine Verständigung so zusätzlich erschwert wird. Die Schaffung neuer Worte ist also erst dann sinnvoll, wenn die Menschen auch geistig einen Schritt weitergemacht haben und sich nur noch von den alten Kontexten loslösen wollen. Ob es schon so weit ist? Keine Ahnung.

  24. Februar 17, 2013 10:42 pm

    Reblogged this on suthoughtsontravel.

  25. Februar 17, 2013 10:45 pm

    Ich freue mich darüber, dass dieses Problem endlich in den Medien kontrovers diskutiert wird. Ich bin ganz klar dafür in den Büchern Änderungen vorzunehmen. Kinder im Alter von ca 4-8 Jahren müssen sich noch nicht mit Sprachwandel auseinandersetzen. Natürlich kann man z.B. nicht das ganze Buch Pippi in Takatuka Land umschreiben. In solchen Fällen halte ich es für sinnvoll, das Thema Kolonisierung in einem Anhang kindgerecht aufzuarbeiten und Eltern somit die Möglichkeit zu geben, dies mit ihren Kindern zu besprechen. Mag sein, dass das Thema in Deutschland sehr verharmlost wird (siehe Kommentare), aber reist mal in die USA oder nach Südafrika und sprecht von „Neger“. Ich wünsche mir mehr Empörung bei Verwendung solcher postkolonialen Begriffe. Die Sprache determiniert das Denken und umgekehrt.

    • Lexi permalink
      März 8, 2013 11:02 am

      Ich wünsche mir weniger Empörung und Vorschriften über den korrekten Sprachgebrauch. Ich wünsche mir viel mehr Sensibilität für das, was in einem Wort drin steckt, und dass Kindern dieser bewusste Umgang selbstverständlich vermittelt wird. Denken lernen statt schimpfen und verbieten wollen! Und statt alte Bücher zu korrigieren, schreibt neue, bessere Bücher.

Trackbacks

  1. AUTENTHIZITÄT | glücklich scheitern
  2. Böse Wörter « aufZehenspitzen
  3. Linkspam aus der Backlash-Woche
  4. The Debate about Racism within Children’s Books (2) | Afrika Wissen Schaft
  5. Abhängen zwischen den Jahren: Besinnung, Ausblick und Link-notes : Mama notes
  6. Rassismus in Kinderbüchern: Preußler, Lindgren und die “Kinderbuchdebatte” [Links] | stefanmesch
  7. Banned Books Week 2017 – Ink and Introversion

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: