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Doing Genders in Kinderbüchern

April 3, 2012

Dass Geschlechterrollen durch Spielzeug und Kinderbücher immer wieder hergestellt werden, ist wohl den meisten bekannt. Ein Beispiel ist das Buch ‚Meine ersten Bilder‘, durch das Kinder auch gleichzeitig ihre ersten Klischees lernen. Gemäß den Traditionen der heterosexuellen Kleinfamilie sehen wir „die Mutter“ beim Kochen in der Küche, „der Vater“ ist bei der Arbeit am Laptop. Dazu passt auch gleich noch die farbliche Codierung. Er trägt ein blaues und sie ein rotes Oberteil.

Buch ‚Meine ersten Bilder‘ von Georgina, Ravensburger Verlag, 2008 (Artikelnr. 31374). Foto von Birte Goldt.

Diese ‚ersten Bilder‘ erschienen noch in der Ausgabe des Buches aus dem Jahr 2008 – immerhin tun sie es aber heute nicht mehr. Die Information verdanken wir Maike von Wegen, Autorin des Blogs Mutterseelenalleinerziehend. Sie schrieb wegen der stereotypen Darstellungen eine Beschwerdemail an den Ravensburger-Verlag. Der gab eine erfreuliche Antwort – nämlich, dass diese Version des Buches seit 2009 nicht mehr im Programm sei. Die neue Auflage von ‚Meine ersten Bilder‘ (mit einer anderen Artikelnummer, nämlich: 31635) zeige diese Szenen nicht mehr, da man keine Rollenklischees reproduzieren wolle.

Leider ist diese Auffassung nicht unbedingt bei allen Verlagen und Spielzeugherstellern verbreitet. Etwa berichtete die Mädchenmannschaft ja bereits davon, ‚Wie LEGO vom Kinder- zum Jungenspielzeug wurde‚. Wie hier zu lesen ist, setzt auch das Lernportal ‚Clever Dragons‘ auf strenge Geschlechtertrennung, inklusive der üblichen farblichen Markierung mit Hellblau und Rosa.

Genau gegen eine solche Trennung stellt sich das Buch ‚Kivi & Monsterhund‘. Es erschien 2012 im Olika-Verlag in schwedischer Sprache. Kivi, das Kind, um das es geht, ist nicht über eine Geschlechtszuweisung definiert. Demgemäß trägt es, wie die Abbildung zeigt, auch grün statt rosa oder blau. Vor allem aber wird Kivi mit dem neuen geschlechtsneutralen Personalpronomen „hen“ bezeichnet, statt mit „hon“ („sie“) oder „han“ („er“). Auch seine Eltern heissen „Mappa“ und „Pamma“.

Ein Text dazu, der zwar einige interessanten Hintergrundinformationen enthält, ansonsten aber ärgerlich macht, kommt von Thomas Steinfeld in der SZ. Hierin bezeichnet Steinfeld das Buch sowie einige schwedische Ansätze zur Gleichberechtigung als „volkspädagogische Bevormundung.“ Dabei unterschätzt er jedoch – überraschend für einen Autor, der sich viel mit Sprachwandel auseinandergesetzt hat – systematisch die Rolle der Sprache. Denn diese kann für ihn nur einen „tröstlichen Schein“ herstellen, aber keineswegs das ‚Sein‘ verändern. Dagegen betont er die Rolle von Ökonomie, Arbeit und Lohnunterschieden. Sicherlich sind solche materiellen Aspekte von großer Bedeutung. In seiner Polemik gegen die Sprache ignoriert Steinfeld aber, dass auch Worte soziale Beziehungen herstellen, Rollen zuweisen, Gefühle auslösen und Welten schaffen. Ausserdem ist Steinfelds Blick auf „Bevormundung“ äussert einseitig – allein Bemühungen um Geschlechtsneutralität und Gleichberechtigung erscheinen bei ihm als solche. Dabei wird allerdings ausgeblendet, dass auch die bestehende Geschlechterordnungen durch ständige und aktive ‚Bevormundung‘ entstanden ist. Sei es durch Massnahmen wie das Ehegattensplitting, sei es durch fehlende Kita-Plätze, durch ‚erste Bilder‘ und erste Worte, durch rosa Kleidung, sprachliche Zuweisungen oder durch kulturelle Vorstellungen, wie ein Mädchen, ein Junge, eine Mutter oder ein Vater sein zu  haben.

Lesenswert ist auch die Stellungnahme zum Kivi-Kinderbuch und zum Pronomen ‚hen‘ von Karin Milles, Karin Salmson und Marie Tomicic (die letzten beiden kommen vom Olika-Verlag, in dem das Buch erschienen ist). Sie plädieren darin für eine Gesellschaft mit weniger rigiden Geschlechterrollen: „A more relaxed attitude with a less prominent gender indoctrination would lead to a better future. (…) “Hen” is therefore a solution that makes it possible to meet the world in a more unbiased way and to read a text or have a conversation where the focus is shifted away from gender identity to the personal characteristics of the individual. (…) We argue that “hen” is needed if an writers like Jesper Lundqvist, the author of ‚Kivi & Monster Dog‘, wants to succeed in letting the character be evaluated from its individual characteristics and give all children the chance to identify with it.“

Bleibt die Frage, ob soetwas wie ‚hen‘ auch in der deutschen Sprache möglich wäre. ‚S_er‘ oder ‚Sie*r‘ als Kombination aus ‚Sie‘ und ‚Er‘, vielleicht?

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4 Kommentare leave one →
  1. April 15, 2012 7:59 pm

    Danke für den Buchtip! Ich stimme Deiner Interpretation der Bevormundung übrigens vollkommen zu. Und gerade durch eine bewusste Erweiterung der Sprache wäre es besser möglich deutlich zu machen, was man von diesen ganzen Geschlechterklischees hält – oder sich besser gegen die ganzen Zuschreibungen wehren, die schon kleinen Kindern entgegenprasseln.

  2. September 4, 2013 10:02 pm

    *Danke* auch von mir für den Buchtipp – fand den genau im richtigen Moment!

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