beleidigungssatire in der taz
Das ist eigentlich keine Neuigkeit: viele der ‚lustig‘ gemeinten Texte der taz sind oft nicht besonders lustig. Neben mangelnden Humor haben sich bislang einige durch eklatanten Rassismus ausgezeichnet, andere durch Transphobie und Sexismus. Ein neues Glanzstück kommt nun von Anja Maier und trägt den Titel „Die Weiber denken, sie wären besser“ . Gesagt haben soll das alles eine „Kaffeehauschefin“ über – Achtung, ein ganz neues und ungemein originelles Feindbild – die „Macchiato-Mütter“. Dargestellt wird diese ‚Kaffeehauschefin‘ als eine Art ‚Original-mit-Berliner-Schnauze-aber-Herz-am-richtigen-Fleck‘, deren authentische Existenz im Prenzlauer Berg durch die Gentrifizierung bedroht ist und Schuld an der Gentrifizierung sind, natürlich, diese Mütter, wer sonst. Durch diese Figurenrede lässt sich dann schön alles sagen, was man ja wohl noch sagen dürfen wird, nämlich alle platten Klischees und Sexismen, die es so gibt, zum Beispiel: Die „Rinder“, wie die Frauen im gesamten Text genannt werden, gehen seitdem sie Kinder haben nicht mehr zum Frisör, weswegen ihr (automatisch antizipierter) Mann auch was mit seiner (automatisch antizipierten) Sekretärin angefangen hat. Sollte übrigens eine dieser Mütter mal weniger Macchiatos konsumieren als erwartet, kann das keineswegs an der prekären finanziellen Situation liegen, in der sich Frauen mit Kind statistisch gesehen oft befinden. Nein, es ist allein ihr Geiz, sie sind nämlich alle aus Schwaben. Und dann stillen sie auch noch in aller Öffentlichkeit, so was.
Obwohl in diesem Blog das Klischee der Prenzlauer-Berg-Mutter ja bereits thematisiert wurde, rätsle ich doch immer wieder, wie es genau zu dem Feindbild kam. Ist es Mother Blame? Ist es (projizierter) Sozialneid? Sind diese Frauen einfach ein gutes Feindbild, weil man sich an irgend einer ‚Bevölkerungsgruppe‘ abreagieren kann ohne sich konservativ zu fühlen? Ist es uralte Misogynie in semi-neuen Kleidern? Und warum druckt die taz immer noch weiter solchen Blödsinn?
(PS: ein sehr hübscher und zudem lustiger Text zum Thema findet sich auf dem Blog vague. Der Titel: ‚Meine Frau. Das Arschloch‚)
(PPS: ein differenzierter Artikel zum Prnzlbrrrg-Phänomen kommt von Julia Heilmann und Thomas Lindemann im Spiegel, ebenso ist eine Replik auf dem Blog Nusenblaten zu finden.)
Ich muss zugeben, ich habe über den taz-Text gelacht, stimme aber trotzdem Deiner Analyse zu, dass dort auf sehr fiese Weise Klischees bedient und verfestigt wurden. Was ich mich immer frage: gibt es tatsächlich Mütter, die dieses Rollenmodell leben in nennenswerter Zahl in Großstädten? Ich kenne nicht eine Kunstwissenschaftlerin, die selbstverständlich mit 3 Kindern seit Jahren die Hausfrau spielt. Ich kenne eigentlich nur Mütter, die sich völlig verausgaben, Beruf und Kinder gut hinzukriegen. Und aus deren Sicht kann ich auch den „Sozialneid“ durchaus verstehen, wenn Mütter mit reichem Partner und ohne Job über Diskriminierung klagen sollten. Ich glaube aber, diese Latte-Macchiato-Mutter gibt es in der Form gar nicht und das ist echt alles Propaganda, damit Frauen sich schlecht fühlen.
Ja, ich frage mich auch oft, wieviele dieser so genannten ‚Macchiato-Mütter‘ es eigentlich gibt und würde mutmaßen, dass sich viele davon eigentlich auch in ziemlich prekarisierten Positionen befinden. Und ich denke, dass ‚Sozialneid‘ eine durchaus berechtigte Reaktion auf soziale Ungerechtigkeit ist – ich frage mich aber immer wieder, warum er sich genau an diesen Frauen entlädt und nicht an anderen Positionen (etwa an den statistisch gesehen meist männlichen Chefs irgendwelcher Immobilienfirmen etc.) oder – noch viel besser – an einer ungerechten Sozialpolitik.
1. ich glaube nicht dass es viele macchiato mütter gibt. vor allem, weil die wenigsten stayathome mums, die ich kenne, mal eben 3,50 für nen kaffee hinlegen können.
2. der vorwurf, den ich bei vielen raus höre, ist der, dass die mütter ja nicht mal selbst für ihren wohlstand arbeiten gehen, sondern sich quasi einzecken, beim mann und der gesellschaft. weil den ganzen tag kaffeetrinken, das dürfen nur antikapitalistische wursthaarträger oder frührentner…
was zum öffentlich sein hab ich ja schon beim letzten kaffeeartikel geschrieben…
Dass es sich bei diesem „Artikel“ wohl um einen Buchauszug handelt, ist scheinbar noch nicht aufgefallen, oder? Was soll das also sein – Tazbashing? Und Tourette als Schimpfwort vor Taz zu setzen ist jetzt besonders emanzipativ, ja? Dass Menschen mit diesem Syndrom durchaus darunter leiden, noch nicht davon gehört? Haben Sie etwas gegen BehinderteInnen?
Hallo ‚a-a-a-autobahn‘: Mir war aufgefallen, dass es sich um einen Buchauszug handelt, fand dies aber für die Beurteilung des Textinhalts nicht wirklich relevant. Zudem möchte ich die taz keineswegs einfach ‚bashen‘ sondern die immer wieder höcht problematischen Inhalte ihrer Texte kritisieren.
Zum alten Titel meines Texts, also: ‚taz tourette‘ – ich habe ihn jetzt verändert und möchte mich entschuldigen, sollte ich deswegen jemanden beleidigt haben. Dennoch fand ich diese Kritik und die unterstellte Feindlichkeit gegen Personen mit sogenannter ‚Behinderung‘ doch etwas sehr kurz und wollte Sie bitten, diese etwas näher auszuführen (habe Ihnen deswegen schon eine Email geschrieben, die aber wg. falscher Mailadesse zurück kam). Und zwar dachte ich bei der Titelwahl erstens, dass man diesen Titel verwenden könnte, da ja auch Begriffe wie ‚Depression‘, ‚Psychose‘ und ‚Narzissmus‘ in der Alltagssprache verwendet werden ohne dass sich – meines Wissens – viele Betroffene (zumindest die, die ich kenne) angegriffen fühlen. Zudem wollte ich den Begriff eher als Metapher, bzw. abstrakt zur Beschreibung einer Funktionsweise benutzen und damit nicht die Menschen selbst bezeichnen (was zugegebener Maßen vielleicht nicht möglich ist). Soviel also erst mal dazu. Ich würde mich jedenfalls freuen, wenn Sie etwas genauer ausführen könnten, was hinter dieser Kritik steckt.
Tag! Hab‘ mich sehr über den Artikel gefreut.
Allerdings ebenfalls nicht über den ursprünglichen Titel, der immer noch in der URL steckt – ich versteh‘ das, eine Änderung würde es sämtliche Links von anderen Seiten ungültig machen, aber schön ist es nicht.
Die Entschuldigung war durchaus angebracht, es war tatsächlich eine ableistische Verwendung des Wortes, die zur Stereotypisierung und Stigmatisierung von Tourette beiträgt. Ich würde vorschlagen, die ursprüngliche Kritik als fundierten, kompetenten Rat zu verstehen, es bei einer ernst gemeinten Entschuldigung zu belassen, ohne Erklärungen einzufordern, und anschließend selbständig im Internet nach Informationen über Ableismus und Tourette zu suchen.
Bezeichnungen von Behinderungen als alltägliche Metaphern und Beschimpfungen zu verwenden, wird durchaus seit langem von Menschen mit Behinderungen kritisiert.
Von allem anderen mal abgesehen: Ich finde allein den hasserfüllten, evahermanesk-stammtischmäßigen Duktus (und damit mein ich natürlich nicht den verschriftlichten Berlin-Slang) des taz-Artikels schon sowas von daneben, dass ich auf irgendeine Analyse des dort perpetuierten Macchiato-Mutter-Mythos/Phänomens/Phantoms schon gar keinen Bock mehr habe. Die taz kommt mal wieder als die Bildzeitung für die vermeintlich linke Seite der Bevölkerung daher. Das kann sie echt ganz prima.
Guter Punkt, FMs,
auch wenn, der Text ein Auszug aus einem Buch, ja sogar ein Protokoll sein soll, habe ich den Eindruck, dass er in dieser Aufmachung eher der Satire dient. Denn nichts rahmt diese Stimme wirklich. Eher bedient es die traditionelle Liason zwischen einem bestimmten linken Selbstverständnis und politischer Satire. Denn dieser ist ja alles erlaubt und man selbst ist sich seiner eigenen integren Position ja sicher.
Zudem liest sich dieser Text in weiten Strecken als Ausdruck der Zerrissenheit, die das eigene taz-Klientel betrifft (mich eingeschlossen): zwischen seinem eigenen Imaginären als selbstbestimmtes kritisches Subjekt (cool) und den zwangsläufigen Verstrickungen, in denen man sich wiederfindet (uncool). Und dann kommt dort jemand, der aus diesen Widersprüchen versucht das Beste zu machen: Mutter sein UND öffentliche Sichtbarkeit zu beanspruchen; nach seinen Vorstellungen zu genießen (Zeit, Macciato, Quiche…) UND das Kind nach bestem Gewissen zu versorgen, seine Verpflichtung zu haben UND eine Rolle oder einen Lebensstil wählen zu dürfen.
Die interessante Frage lautet doch: Warum wird das als Provokation wahrgenommen? Kommt mir nicht mit Gentrifizierung… Schade: Tourette fand ich passender, Verwechslung mit Menschen war doch ausgeschlossen.
LG
Ich habe über den Text auch gelacht, der Grund hierfür ist vielleicht auch eine Antwort auf einige Fragen hier, denn: ich habe sie wiedererkannt, die Latte-Macchiato-Mutter. Begegnet mir in meiner Heimatstadt tatsächlich recht oft. Und nervt mit genau dem beschriebenen Verhalten. Wenn man dann mal respektvolles Verhalten erbittet kommt die Diskriminierungsklatsche, zu der einem ja dann nichts Sinnvolles mehr einfällt. Wie mir aber in der hier laufenden Diskussion erscheint, wird die Existenz diese Gattung als Möglichkeit nur in Erwägung gezogen, um es gleich als Vorurteil abzutun. Nein – es ist ein Urteil nach Erfahrung.
mir fehlen ein bisschen die worte…
als rind mit ekelhaften eutern, deretwegen menschen aus cafés fliehen müssen, fühlte ich mich bisher nicht.
das der ehemann fremd geht, geschieht mir also recht, ich seh ja auch einfach nicht mehr heiss aus.
selbst schuld, was musste ich mir auch son nerviges balg zulegen.
asche auf mein haupt und zum glück wurde das jetzt mal gesagt.
deutschland sollte kinder-zonen, frauen-zonen, homosexuellen-zonen,usw… einrichten, damit otto und anna normalverbraucher in ihrem normalen tagesablauf nicht dauernd gestört werden, in aller ruhe dumpfen gedanken nachhängen und graue gesichter kultivieren können.
solch ein frauen – und gleichzeitiger kinder-hass von einer frau und mutter ist mir immer wieder unbegreiflich.
hasst sie auch sich selbst? oder wähnt sie sich und ihren nachwuchs tatsächlich besser/anders?
Viele der neuen Artikel in der TAZ beinhalten einen Ductus, der eher ins Weltbild und die Weltsicht der sog. Piraten und ihrer Einstellung zur Frau und insbesondere zum Weiblichen in Allem Sein passt, herablassend und mit Macho-Getöse.
Mag schon sein, dass das Kampfblatt der Grünlinge eine breitere Basis unter dem Spießervolk von Schwul über Hero bis Lesbisch sucht, um mit Hilfe des Geldes derer von denen sie über den ECFR (G.Soros,J.Fischer) geteuert und gesponsert werden, ihre Knazlerschaftsträume zu realisieren.
Mag auch nicht sein und einfach wieder die unreflektierte Projektion der Sicht des Ur-Männlichen und seiner Widerspiegelung im Kopf der Verfasserin oder einfach nur Neid auf das Kind der anderen, deren Glück, deren fester Bindung, trotz ons—- janz so dumm und ohne — sind die Mothers auch nicht—-UND DASS IST GUT SO !!!!
Dankeschön.
Danke für diesen Text.
Denn wenn ich noch einmal irgendwo „Euter“ lesen muss, muss ich brechen.
Ich lese das Buch gerade. Anja Maier arbeitet sich an jedem Klischee ab. Und sie schreibt auch sehr persönlich darüber, woher ihre Abneigung kommt, als alte Prenzlbergerin. Sie schreibt satirisch, und vieles ist zum Lachen oder Kopfschütteln, in der vorhersehbaren Abarbeitung der Klischees nervt es aber.
Abgesehen davon muss ich ihr in Vielem Recht geben. Das Klischee trifft selten auf eine einzelne Person zu, deshalb kennt auch kaum jemand solchen Prenzlberger, es bildet die Allgemeinheit ab und ihren Schein. Ich jedenfalls werde es vermeiden, noch einmal am kollwitzplatz zu brunchen. Und ich gönne den Damen ihre Schnickeldi-Designer-lädchen, in denen Babyschuhe soviel kosten wie mein Seconhand-Kindereagen.