Jungs zu den Pferden! Protestbrief eines Kindes und Antwort vom Spielzeughersteller
Spannende Dinge haben sich bereits Ende August bei Manu bloggt abgespielt: ihr Sohn Moritz hatte sich darüber gewundert, dass im Katalog des Spielzeugproduzenten Jako-o („Kindersachen mit Köpfchen“) immer nur Jungen mit Autos spielen und deswegen einen Brief an die Firma geschrieben.
Nun gibt es einen eigentlich ganz netten und durchaus detaillierten (Seitenzahlen!) Antwortbrief der Firma:
Ich fand neben der Genauigkeit dieses Briefes interessant, wie sehr darin eine geschlechtliche Kodierung von Spielzeug vorgenommen wird, die scheinbar noch weit über Puppen und Pferde versus Autos hinausgeht. Kioske sind also weiblich? Oder ist es nur das Brötchenbelegen innerhalb eines Kiosks? Auch sind Holzbausteine männlich und Showbühnen weiblich?
Hallo,
ja, das hatte ich mir auch gedacht, als ich den Brief gelesen habe. Andererseits – ja, wenn ich ein belegtes Brötchen kaufe, wurde es meistens von einer Frau belegt, ob im Kiosk oder in der Bäckerei. Einzige Ausnahme, wo mir meistens Männer belegte Brötchen verkaufen, sind Tankstellen. Und die Bühne ist zwar keine Frauendomäne, aber wenn irgendwo ein Kind abgebildet ist, dass vor einem Spiegel playback singt und sich vorstellt, ein Star zu sein, ist dieses Kind ehrlich gesagt auch meist ein Mädchen… Und Holzbausteine sind zwar nicht männlich, aber auf dem Bau arbeiten eher Männer.
Ich glaube, es ist relativ egal, was jako-o an Gegenbeispielen im Katalog aufgezeigt hätte. Wenn sie gesagt hätten „Aber auf Seite 10 gibts einen Jungen, der den Boden putzt“ käme wahrscheinlich die Reaktion „Ach, Hausarbeit hält Jako-o also für Frauensache, was?“ und wenn sie gesagt hätten „Aber auf Seite 40 gibts ein Mädchen mit einer Bohrmaschine und einem Hammer“ hieße es wahrscheinlich „So, Jako-o glaubt also, ein Mädchen mit Werkzeug sei etwas ungewöhnliches?“ Ich denke, selbst wenn sie geantwortet hätten „Schau noch mal genau nach, auf Seite 45 wickelt ein Junge die Babypuppe“ wäre die Antwort „Wie, und das halten sie jetzt für eine Leistung? Sie denken wohl, Babys sind Mädchensache?!“
Natürlich sind weder ein Kiosk oder eine Showbühne „weiblich“, noch Bausteine „männlich“, aber in den meisten anderen Katalogen wird sicherlich ein Mädchen im Kiosk Brötchen belegen und mit einem Mikro in der Hand tanzen (und zwar ungeachtet des Alters in pinken, bauchfreien Tops) während ein Junge mit Bausteinen spielt. Ich finde, Jako-o nennt doch einige Beispiele, wo sie die sonst übliche Verteilung vermieden wurde und auch wenn gerade Puppen und Autos als die klassischen Beispiele immer noch mit typisch Mädchen bzw. Junge dargestellt wird, kann man auch nicht erwarten, dass der Katalog jetzt immer verkrampft das Gegenteil des Codes darstellt. Schön wäre natürlich, wenn Junge und Mädchen gemeinsam mit dem Spielzeug spielen, aber dann kommt vielleicht ein wütender Aufschrei, dass Jako-o mit Junge, Mädchen, Babypuppe die Kernfamilie propagiert…
Viel bedenklicher finde ich, dass es in einem Laden, der eine Geschäftsführerin hat, zumindest sprachlich nur „Produktmanager, Grafiker, Fotografen“ gibt.
Viele Grüße
Hallo, hm, Deine Argumente sind durchaus einleuchtend, ich denke auch, dass Jako-o sich da in einer argumentativ relativ ausweglosen Situation befanden (und finde es durchaus sympatisch von denen, in einem so detaillierten Brief zu antworten) und dass man bei Abbildungen sehr schnell etwas stereotyp-kritisierenswertes finden kann, wenn man das will. Vielleicht ist sogar bei der Briefeinterpretation etwas mein ‚feministischer Beißreflex‘ mit mir durchgegangen.
Gleichzeitig denke ich schon, dass Spielzeugkataloge (trotz besagter Schwierigkeiten) den (doch manchmal ebenfalls verkrampft wirkenden) Geschlechtercode zumindest etwas lockern könnten, es muss dabei ja wirklich nicht immer und auf allen Fotos ‚genau das Gegenteil‘ dargestellt werden… Ich denke, dass solche Bilder einen grossen Einfluss haben können. Und die Sache mit den männlichen Berufsbezeichnungen ist mir gar nicht aufgefallen (shame on me!), aber durchaus ein guter Punkt!
Den Jako-o-Katalog kenne ich nicht, aber mir ist zum Beispiel bei Neckermann extrem aufgefallen, wie die Geschlechterstereotype dargestellt werden. Der Kiosk und die Küche sind ausschließlich mit Mädchen fotografiert. Ich meine, mal irgendwo auch einen Jungen im Kaufmannsladen gesehen zu haben, aber der war dann natürlich Verkäufer und ein Mädchen mit Einkaufswagen kaufte bei ihm ein. Bei Musikinstrumenten sind es meist die Jungs, die „abrocken“ mit der E-Gitarre und dem Schlagzeug und die Mädchen, die mit Glitzerklamotten und vermeintlich sexy Posen ins Mikro singen. Beim Basteln sind es fast immer Jungs mit komlizierten Elektro- und Leogodingen und Mädchen beim Malen-nach-Zahlen und Bügelperlen.
Klar, das gehört aufgehoben. Zumal alle Jungs, die ich kenne, ihre Lieblingspuppe haben und sich fürsorglich auf Babys (sowohl Puppen als auch mein echtes) stürzen. Und jedes Kind, gleich welchen Geschlechts, liebt Bausteine.
Es wäre natürlich interessant, herauszufinden (und Moritz wurde ja dazu eingeladen), ob die Spielzeuge tatsächlich mit verschiedenen Modellen fotografiert wurden und man dann unabhängig vom Geschlecht das beste Bild ausgesucht hat.
Die Kritik an der Darstellung in Spielzeugkatalogen ist natürlich vollkommen berechtigt. Aber man muss ihnen auch eine Chance lassen und darf es nicht übertreiben. Sonst könnte Jako-o auch antworten: „Lieber Moritz, das ist aber schrecklich heteronormativ von dir, anzunehmen, dass das Fotomodell ein Mädchen ist, bloß weil es lange Haare hat, rosa Kleidung trägt und mit einer Puppe spielt“ 😉
Ja, letzteres ist ein wirklich guter Punkt! Ich finde die Jako-o Antwort schon auch gut und denke auch, man sollte ihnen unbedingt eine Chance lassen – und ich kenne den Katalog auch nicht. Beim Katalog-Produktionsprozess würde ich ja (mal wieder in negativ-pessimistischer Grundeinstellung) vermuten, dass die meisten Spielzeuge nur mit einem Modell fotografiert werden, aber vielleicht täusche ich mich gerade für sowas ist ja auch diese Einladung zur Besichtigung gut. Liebe Grüsse